Auslandsjournal vom 31.10.2010: Schak´Rhanatana – das Juwel Indiens

Nach zweistündigem Marsch durch dichten Urwald taucht der majestätische Tempel von Schak‘ Rhanatana vor uns auf. Die in der Mittagssonne glänzenden Kuppeln lassen auf den einstigen Prunk des Ortes schließen, ständig sind lokale Milizen damit beschäftigt, Buntmetalldiebe von den Zinnen zu schießen. Geblendet von dieser Pracht ziehen wir uns in die Kühle der inneren Kammer zurück. Hier betreiben die Teile der Bevölkerung, die zu schwach oder zu jung sind, um nach dem Blattgold der Kuppeldächer zu steigen, Garküchen, Souvenirstände und improvisierte Lazarette.

Ein untersetzter Mann mit Turban, der sich uns als Verwalter des Heiligtums vorstellt, reicht uns ein Glas trüben Tees, und beginnt ungefragt, uns die Geschichte des Ortes zu erzählen:

[…] Der einstige Großkhan des Reiches, Farukh al Omahari, erklärte während seiner nur wenigen Tage währenden Amtszeit den gemeinen Urwaldskorpion (der in alten Überlieferungen noch als Schädling verflucht wurde) zum unantastbaren Bewahrer des Glaubens. Omahari verschied tags darauf bei der Morgenandacht, nachdem er sich – sich zum Gebet bereitmachend – auf einem Vertreter dieser Gattung niedergelassen hatte.

Dennoch wirkt der Erlass des einstigen Souveräns bis heute nach: der Tempel wimmelt nur so von dem giftigen Getier.

Leider mussten wir am Abend unseren Kameramann in die nächste Provinzhauptstadt ausfliegen lassen: er hatte den Fehler begangen, seinen Hut achtlos auf den Kopf zu setzen. Zu seinem Glück kam er glimpflicher davon als sein historischer Leidensgenosse – außer einem bösen Stottern und partieller Verwirrtheit wird er wohl keine bleibenden Schäden davontragen.

Als wir ihn auf dem Rückweg wieder mitnehmen wollten, erwartete uns jedoch eine Überraschung – es hatte sich bereits eine große Anhängerschaft gebildet, die seine wirren Ausführungen zum Kult erhoben und ihn als Oberhaupt, Prophet und Opfertier in Personalunion vorgesehen hatte. Entsprechend schwierig gestaltete sich seine Auslösung: nur nachdem wir im Konsulat vorgesprochen und um Geleitschutz gebeten hatten, konnten wir unter den Steinwürfen der Bevölkerung das Gebiet verlassen.

Am Ende sind es doch gerade solche Ereignisse, die uns mit gemischten Gefühlen an diese Reise ins Herz des Morgenlandes zurückdenken lassen…

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